Falstaff LIVING
04/2019
text: Maik Novotny
Karibik trifft Adolf Loos, ruhiges Kaffeehaus trifft den wilden Trubel asiatischer Nachtmärkte. Dass die Restaurants und Bars von Tzou Lubroth Architekten das Wienerische und das Internationale kombinieren, ist kein Zufall. Schließlich sind auch die beiden Architekten Gregorio Santamaria Lubroth und Chieh-Shu Tzou ein wahrhaft globaler Mix: US-argentinische Wurzeln der eine, wienerisch-taiwanesische der andere.
Dass sich die beiden Architekten auf gastronomische Interieurs spezialisiert haben, ist allerdings schon eher Zufall, erinnert sich Lubroth. »Das ist uns mit den ersten Aufträgen einfach so passiert, aber irgendwann haben wir uns gesagt: Let’s embrace it!« Inzwischen hat man über zehn Jahre Erfahrung und über 20 realisierte Projekte vorzuweisen, von der intimen Bar bis zur Großkantine. Die Expertise beschränkt sich dabei nicht aufs Design: Tzou Lubroth stehen sowohl vor und hinter der Theke. Ihr Handwerkszeug sind Licht und Material ebenso wie Drink-Rezepte und das (preisgekrönte) Öl aus dem italienischen Olivenhain von Lubroths Eltern. Sie eröffneten mit dem »If Dogs Run Free« in Mariahilf die erste Craft-Cocktail-Bar in Wien, mit der winzigen »Kaffeeküche« am Schottentor das erste Coffee-Takeaway.
Alchemie und Spannung
»Viele unserer Kunden haben wie wir einen migrantischen Hintergrund: Chinesen, Japaner, Koreaner, Israelis,« erklärt Lubroth. Eine großstädtische Alchemie der Unterschiede, die sich in Räumen widerspiegelt, die vom Gastro-Messen-Design Lichtjahre entfernt sind. »Es muss immer eine Spannung zwischen den Regeln und dem Informellen geben«, erklären die Architekten. »Das rein Formale interessiert uns nicht.«
Als Gastronomen wissen Tzou Lubroth aber auch, dass selbst gute Architektur kein fehlendes Konzept ersetzen kann – was sie am eigenen Leib erfahren mussten, als ihr cooles Gürtellokal »Neon« zwar von Architekturstudenten fotografiert wurde, sein panasiatischer Ansatz aber passé war. »Erstes Kriterium für den Erfolg eines Lokals ist das Konzept«, so die Erfahrung der beiden. »Dann kommt die Location, und dann erst das Design.« So verschieden die Locations, so breit das Spektrum der Interieurs: Gastro-Design von Tzou Lubroth findet man am Flughafen, in der Shopping-Mall, im Altbau-Erdgeschoß oder im Büro-Campus. Jedes Restaurant ist eine sinnliche Landschaft, maßgeschneidert und individuell. »Es macht uns immer wieder Spaß, Räume zum Essen und Trinken zu entwerfen, weil sie so atmosphärisch, theatralisch und cinematisch sind«, so Lubroth. »Es geht ums Sehen und Gesehenwerden, man ist immer Publikum und Performer zugleich, ob als Gast oder als Kellner.« Essen, trinken, reden, flirten, Blicke wandern lassen. Die Küche als Magnet und Mittelpunkt.
Nothing to hide
Da macht es besonderen Spaß, diese theatralischen Räume so auszustatten, dass die Performer zum Dialog ermuntert werden. Etwa, wenn für Mann und Frau absichtlich nur ein Waschbecken vor den WCs zur Verfügung steht: So wird das Händewaschen zum sozialen Experiment. »Nothing to hide« ist einer der Leitsätze von Tzou Lubroth.
Dazu passt, dass die Performance nie an der Eingangstür aufhört. Denn die Architekten, die auch an der Universität für Angewandte Kunst unterrichten, denken immer die ganze Stadt mit. Restaurants sind für sie Teil des öffentlichen Raums. So wird der Barhocker zum Urbanismus, die Bar zum Teil eines Netzwerks aus Orten, an denen man sich zu Hause fühlt.
Als Trend-Scouts wissen Tzou Lubroth auch längst, dass die Gastronomie unter freiem Himmel immer wichtiger wird: Wiens Nächte werden länger, die Straßen lebendiger. Mit dem Outdoor-Food-Court »Wrapstars« sind sie schon am Donaukanal präsent, und natürlich kombinieren sie auch hier ein Restaurant mit einer Fläche, in der alles möglich ist: eine Dosis asiatisch-amerikanische Informalität eben