Bar in Wien
Ziel der beiden Architekten Gregorio S. Lubroth und Chiehshu Tzou ist nicht nur die Realisierung einer authentischen Cocktailbar. Sie wollen die Bar »If dogs run free« auch selbst betreiben – für Studenten, Nachbarn und alle anderen, die nach der Arbeit einen guten Drink genießen wollen.
Zeit hatten die Architekten eigentlich nicht, doch diese Chance konnten sie sich einfach nicht entgehen lassen. Im 6. Wiener Gemeindebezirk, einem Viertel, das von Gentrifizierungstendenzen noch nicht mit voller Wucht erfasst wurde, ergab sich zufällig die Möglichkeit, ein längere Zeit als Lager genutztes und zuletzt leerstehendes, 82 Quadratmeter großes Ladenlokal zu mieten. Nachdem sich die beiden nach einigen realisierten Bars, Restaurants und Gastrokonzepten in der Szene gut auskennen, entschließen sie sich, in diesem Fall selbst als Bauherr tätig zu werden und – nicht unweit ihres Büros – eine Bar zu eröffnen und auch selbst zu betreiben. Ziel des Architektenduos sowie dreier hinzugzogener Freunde ist eine einfache und erschwingliche Bar, die sich einerseits als »Wohnzimmer« der Nachbarschaft versteht, sich andererseits aber auch einer authentischen Cocktailkultur verpflichtet sieht – diese ist in Wien kaum verbreitet, stattdessen dominieren entweder Hotelbars oder teure Edellokale mit Bar die Szene
Um diese Idee räumlich umzusetzen, entwerfen sie eine einfache Black Box, die den abendlichen Gästen den geeigneten Hintergrund bieten soll. In der Folge entscheiden sie sich auch für schwarz gebeizte Stühle aus Eichenholz, Tische mit Oberflächen aus schwarz geöltem MDF, schwarze Lederbänke, Stahlbauteile aus Schwarzstahl sowie schwarzen Gussasphalt. Nicht zuletzt, weil sie nur über ein Grundrisse EG/KG, M 1:400 überschaubares. Budget verfügen, spielen Einfallsreichtum und Eigenleistung eine große Rolle. Viele der siet langem mit den Architekten kooperierenden Handwerker machten Freundschaftspreise, während andere zusätzlich Fußballtickets erhielten. Eine planerische Besonderheit sind die dunklen Wände, die zwar an Stuccolustro,
in Wirklichkeit aber aus einer simplen Mischung aus handelsüblicher Spachtelmasse und gewöhnlicher schwarzer Wandfarbe besteht. Deren Unregelmäßigkeit resultiert zum einen aus dem Gestaltungswillen der Planer, zum anderen aber auch schlicht aus der in unterschiedlicher Dicke aufgebrachten Spachtelmasse
Die einzige Ausnahme in diesem Schwarz in Schwarz bildet die Decke, die eine Art Bühne für ein jährlich wechselndes Kunstwerk bietet. Die erste Installation einer imaginären Berglandschaft haben die Architekten selbst entworfen und realisiert. Um die unter der Decke platzierte Akustikdecke zu den darüber liegenden Wohnungen möglichst nicht zu schwächen und damit in ihrer Wirkung zu beeinträchtigen, montierten sie zunächst ein filigranes Stahlgerüst. Mit Kabelbindern nicht sichtbar befestigt – wurden anschließend beidseitig grundierte und mit roten bzw. blauenFarbtönen versehene Modellbau-Leichtschaumplatten eingehängt und mit Silikonkleber miteinander verbunden. Da diese Deckeninstallation für den heutigen Raumeindruck der Bar entscheidend ist, bleibt abzuwarten, wie sich der Raum verändert, wenn die Decke von einem anderen Künstler gestaltet ist. Vom Gastraum völlig unabhängig bleibt die sehenswerte Toilettenanlage im Untergeschoss. Aus Platzgründen wurden hier statt gewöhnlicher Toilettentrennwände dünne Schwarzstahlplatten verwendet und lediglich eine Waschgelegenheit für Männer und Frauen eingerichtet. Inzwischen hat sich der Vorraum mit seinem Edelstahlbecken und dem von der Decke herabhängenden Wasserrohr als Ort der Kommunikation und sozialen Interaktion etabliert. Wie in der Bar selbst finden auch hier immer wieder Konzerte statt.
(Text: Roland Pawlitschko, Juli, 2013)